»Jemand hat Euch etwas gestohlen. Etwas mit einer Nadel … Euren Kompass! Seither irrt Ihr ohne erkennbares Ziel durch das Land, aber der Kompass wird Euch weiterhin den Weg weisen, denn dort, wo er jetzt ist, findet Ihr wieder eine Richtung.«
– Wiederkehr der Götter: Der Schatten des Todes, Maria, Seite 85
Klappentext:
Herbeigesehnt von Göttern sollen zwei Menschen durch Blut vereinen, was durch Blut getrennt wurde. Ein mitreißender Fantasyroman für alle, die lebendige Welten, tiefe Gefühle und erbitterte Machtkämpfe lieben.
»Dann hört auf, Euch aufzugeben!« – »Und was soll ich Eurer Meinung nach tun? Einfach gehen?« – »Ihr könntet mit mir kommen.«
Halvar, ein Kopfgeldjäger fern seiner Heimat, erhält den Auftrag, eine junge Frau zu finden. Dass es sich dabei um Iouna handelt, die verschwundene Prinzessin der Nordleute, stellt ihn vor weitaus mehr Probleme als eine uralte Fehde zwischen ihren Völkern. Doch auch Iouna erkennt, dass der wortkarge Mann mehr ist als er zu sein scheint.
Beide suchen ihren Platz in der Welt, ohne zu ahnen, dass sie dabei von ihren Göttern beobachtet werden.
Halvar musste aus seiner Heimat, Isvinter, fliehen und verdient seither sein Geld mit Aufträgen als Kopfgeldjäger. Anfangs noch neu auf diesem Gebiet, wird er über die Jahre immer besser und erlangt durch seine große Gestalt und sein gefährlich wirkendes Aussehen einen gewissen Ruf. Ein Ruf, der ihm schließlich einen neuen Auftrag einbringt. Er soll eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren finden, welche sich auf dem Weg nach Falkenberg befindet.
Wie Halvar schnell herausfindet, handelt es sich bei der jungen Frau um die seit Jahren verschwundene und bereits für tot gehaltene Prinzessin von Delyveih, Iouna. Diese hat sich in den Kopf gesetzt, die Festlichkeiten Lothars zu besuchen. Ein direkter Konkurrent ihres Vaters um die Krone des Königs der Mittellande.
Natürlich fällt ihr heimliches Auftauchen dort auf und umgehend wird Iouna, die eigentlich floh, um dem Wahnsinn um ihre Pflicht als Prinzessin zu entgehen, zur Verlobten des Fürsten. Ein Machtinstrument, um sich die Stimmen der anderen Fürsten zu erkaufen und endlich König zu werden. Nur widerwillig ergibt sich Iouna diesem Schicksal, glaubt sie, dass ihr Gott diesen Weg für sie geplant habe und sie diesen Weg wählen muss, um für ihre Vergangenheit Buße zu tun.
Vor allem aber mit der Pflege des schwerverletzten Halvar versucht sie ihrem dortigen Platz einen Sinn zu geben. Bei einer Jagd des Fürsten hat sich dieser in das umzäunte Gebiet geschlichen und wurde von einem Bären überrascht. Halb tot aber siegreich landet er vor Iounas Füßen. Sie schafft es Lothar zu überzeugen, ihn gesund pflegen zu dürfen.
Schon bald kommt Halvar dank ihr wieder auf die Beine und die beiden merken schnell, dass sie ähnliche Einstellungen und Vorstellungen teilen, was die Welt um sie herum betrifft. Und während Halvar immer mehr mit sich hadert, ob er seinen Auftrag doch noch zu Ende bringen soll, ist er sich sicher, dass Iouna jederzeit mit ihm gemeinsam aus der Burg und vor Lothar fliehen würde, oder es die gemeinsame Zeit mit der Prinzessin lieber weiterhin genießen sollre, ahnt Iouna lange Zeit nicht, dass sie eigentlich Halvars Opfer ist. Stattdessen beginnt sie in dem schweigsamen Mann einen Freund und Verbundenen zu sehen.
Ich mag die Landschaftsbeschreibungen und die erschaffene Welt sehr. Man hat das Gefühl, in ein durchdachtes Konstrukt einzutauchen, dass mit Fantasyelementen gefüllt ist, sich aber stark an der früheren Rolle der Frau orientiert. Gerade der Aspekt der Frau als Machtinstrument zieht die ganze Geschichte und fügt sich nicht in den üblichen Zauber anderer Fantasy-Romane, was das Mittelalter betrifft. Dadurch entsteht eine gewisse Tragik, deren Sein man auch in der heutigen Zeit noch immer hinterfragen kann.
Man spürt beim Lesen deutlich die Liebe zum Detail. Nicht nur die Reiche und Fürstenhäuser wurden kleinlichst ausgebaut. So wird nach und nach das Konstrukt der Welt und die Rolle der Fürsten, Könige und auch des Ritterordens als eine übergeordnete Judikative näher geschildert. Die Götter, welche einen sehr großen Teil des Glaubens der Figuren ausmachen und damit treibend zur Handlung beitragen, wurden in ihren Facetten gut ausgearbeitet; mit Ritualen, Tempeln und sogar Schriften und Zitaten. Das macht die ganze Welt greifbar und rund und man hat immer das Gefühl auf den knapp 560 Seiten etwas Neues zu entdecken.
Die Charaktere sind tiefgründig und den Hauptfiguren Halvar und Iouna wird eine Menge Zeit eingeräumt, sich zu entfalten und ihrer Vergangenheit und damit ihrer gegenwärtigen Motivation einen Namen zu geben. Keiner von beiden scheint perfekt, hat seine Fehler und Selbstzweifel, was sie für mich unglaublich realistisch macht. Selbst die Nebencharaktere wirken lebendig und tragen auf ihre Weise zum Verlauf des Buches bei. Alles in allem erhält man so eine Geschichte, die nicht nur auf den Schultern der Protagonisten liegt, sondern auch von anderen Figuren maßgeblich mitgestaltet und getragen wird.
Die Romantik zwischen den beiden Protagonisten entwickelt sich langsam und beginnt lediglich mit einer Freundschaft, aus welcher nur nach und nach mehr wird. Beide Zweifeln dabei an sich und an den Gefühlen des anderen. Es ist erfrischend mal nicht auf der ersten Seite schon mit der Beziehung konfrontiert zu werden und nach und nach in die Gefühlswelt der beiden einzutauchen und sie dann gedanklich aufeinander zuzuschieben, weil sie nicht merken, was der andere fühlt.
Trotz seiner Ernsthaftigkeit enthält das Buch eine Menge Witz und gerade der Sarkasmus kommt nicht zu kurz. Was mir persönlich sehr gut gefällt und immer wieder zum Schmunzeln animiert hat.
Ich mag viel Drumherum und freue mich, wenn Autoren ihren Figuren viel Raum für Selbstentwicklung lassen, die Welten beschrieben werden und man das Gefühl hat in ein durchdachtes Konstrukt einzutauchen. Allerdings zieht es dich dadurch Stellenweise doch etwas und man hat das Gefühl, handlungstechnisch nicht so recht voran zu kommen. So scheinen sich manche Gedanken mehrmals im Kreis zu drehen, was einerseits verständlich andererseits auf Dauer anstrengend zu lesen ist.
Für mich ist „Der Schatten des Todes“ eine absolute Leseempfehlung für alle, die gerne etwas mehr über eine Welt wissen wollen, die wollen, dass den Figuren viel Leben eingehaucht wird und die auch mal Romantasy zu lesen bereit sind, bei der auf der letzten Seite das letzte Wort noch nicht gesprochen wurde.
Das Buch besticht, durch viel Gefühl und Zeit für seine Figuren, aber auch Spannung und durchaus mit der einen oder anderen unangenehmen Szene, gerade zum Ende hin. Auch, wenn ich bis heute nicht verstehe, warum Iouna am Ende nicht einfach mit zum Tempel ging und in dessen Nähe wartet, oder in dessen Nähe das Lager aufgeschlagen wird. Vielleicht werden wir es in Band 2 erfahren.
Wiederkehr der Götter: Der Schatten des Todes, P.J. Lehmann, Piper Verlag GmbH, 1. Auflage, Redaktion: Franz Leipold, Covergestaltung: saje design
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