»Der Krumme Mann der Tiefe existiert. Du weißt das, oder? Kilianna weiß es.« Dawyd wand sich unter diesen Sätzen, die Rufin mit so viel Mühe hervorgebracht hatte. Schließlich nickte er. Ihnen beiden stand der Schweiß auf der Stirn, und der kam nicht nur von der Anstrengung. Angst machte Dawyds Hände klamm. »Was ist er?«, flüsterte er und sah sich um, als erwarte er ihn in den Schatten.
Erbittert lagen der Stadtstaat Sygna und das Kaiserreich Aquintien im Krieg. Nachdem das vom Kaiserreich eroberte Sygna von Rebellen befreit wurde, greifen Zauberkundige aus Aquintien zu einem schwerwiegenden Mittel: Sie öffnen einen Riss ins Schattenreich, das die Hauptstadt des Kaiserreichs Naronne und Sygna zu verschlingen droht.
Hier setzt die Handlung des dritten Teils der dreizehn Gezeichneten ein. Gezeichnete? Das sind Menschen, die Zeichen ausüben können, und diesen Zeichen wohnen magische Kräfte inne. Es ist die alte Magie Sygnas, die insbesondere von Handwerkern ausgeübt wird. Doch dreizehn besonders mächtige Zeichen, die Urzeichen, sind nach langer Ruhe befreit worden und haben sich unter den Menschen Sygnas, aber auch unter den aquinzinischen Belagerern Träger gesucht.
Dawyd ist einer von ihnen; ihn, einen kampferprobten Fechter, hat das Blutzeichen auserkoren, das seine körperlichen Kräfte und Kampfesfertigkeiten verstärkt. Zusammen mit dem eigentlich verfeindeten Geheimpolizisten Lysandre deckt Dawyd auf, was hinter der magischen Kraft der Zeichen steckt – und was der krumme Mann der Tiefe, eine gottesähnliche Kreatur, mit dem Ursprung der Zeichen zu tun hat.
Doch auch innerhalb Sygnas entwickeln sich tiefgreifende Konflikte: Zacharias Erdhand, oberster Richter des Gildenrats, hat unerbittlich und grausam die Macht über die im Schattenreich versinkende Stadt ergriffen. Die Helden der Revolution stellen sich nun gegen ihn – doch wird es ihnen gelingen, Sygna rechtzeitig von dem Tyrannen zu befreien?
Die 13 Gezeichneten – Der Krumme Mann der Tiefe besticht durch wirklich wunderbare Charaktere; neben der interessanten Handlung mögen sie der Hauptmotor dieser Geschichte sein. Wir bangen mit ihnen, leiden mit ihnen, sorgen uns um sie und freuen uns, wenn der Handlungsstrang zu einem gnädigen Ende geführt hat. Judith und Christian Vogt haben es meisterlich vollbracht, den Leser die Geschichte durch ihre Figuren erleben zu lassen. Da sind Neigel und Guillome, zwischen denen mehr steht als eine verwundete Freundschaft, Kilianna, die sich gegen ihre Familie stellen muss, Elisabeda, die händeringend den Widerstand zusammenhält. Und Dawyd, der mit seinen Ängsten zu kämpfen hat.
Doch tiefe Charaktere benötigen auch einen langen und sorgsamen Aufbau, der sich auch bis in den dritten Teil der Reihe zieht. Gerade der Beginn der Handlung, an dem die losen Enden der vorherigen Teile aufgenommen werden, zieht sich deshalb etwas, um dann jedoch in ein kurzweiliges und spannendes Abenteuer zu starten.
Mit Die 13 Gezeichneten – Der Krumme Mann der Tiefe ist Judith und Christian Vogt ein besonderer und sehr interessanter Kunstgriff geglückt. Charaktere und Handlung sind ausgefeilt, lebendig und spannend, der Schreibstil flüssig, vielleicht sogar etwas knapp, aber dennoch immersiv. Das Ende mag keine absolute Punktlandung sein, schließt jedoch die Reihe rund und zufriedenstellend ab.
Judith & Christian Vogt – Die 13 Gezeichneten – der Krumme Mann der Tiefe, 2020, Bastei Lübbe